Streit um Kopftuchverbot im Kosovo

Zwei kosovarische Studentinnen mit Kopftuch

17 juny 2010, Deutsche Welle. Im Kosovo ist eine rege Kopftuch-Debatte ausgebrochen, weil Schülerinnen und Studentinnen künftig kein Kopftuch mehr tragen dürfen. Die islamische Gemeinschaft kritisiert dies als Verstoß gegen die Menschenrechte.

Der Islam im Kosovo gilt als europäisch und westlich ausgeprägt. Obwohl die Mehrheit der Menschen im Land muslimischen Glaubens ist, stellen nur wenige ihre Religiosität öffentlich zur Schau.

Kopftücher bargen im Kosovo bisher wenig Konfliktpotential. In vielen traditionellen Familien trugen ältere Frauen oft noch Kopftuch, wenn sie außer Haus gingen, während die jüngere Generation mehr und mehr mit dieser Tradition brach. Insbesondere Mädchen und junge Frauen die studierten oder im städtischen Umfeld lebten und arbeiteten, legten Wert auf Mode und folgten westlichen Trends – ohne Kopftuch.

Im sozialistischen Jugoslawien hatte der Staat den Einfluss der Imame zurückgedrängt. Vorbild für junge Menschen wurde Westeuropas offene Gesellschaft. Der Glauben wurde zwar gepflegt, galt aber als Privatsache. Seit dem Ende des Kosovo-Konflikts engagierten sich jedoch zunehmend religiöse Hilfsorganisationen aus arabischen Ländern im Kosovo. Frauen und Mädchen die an ihren Hilfs- und Bildungsprogrammen teilhaben wollten, mussten dafür wieder traditionelle Rollenmodelle akzeptieren. So erlebte auch das Kopftuch in den letzten Jahren im Kosovo eine Renaissance. Es wurde für viele Muslima auch zu einem Identifikationsmerkmal zur Abgrenzung gegen das atheistische Erbe des sozialistischen Jugoslawiens.

Religiosität im Kosovo – Präsent aber nicht dominant

So trägt Besa Ismajli, 34 Jahre, aus Mitrovica seit zehn Jahren wieder ein Kopftuch. Kein Fremder hat seit dem ihre Haarfarbe und ihren Schmuck gesehen. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine gewöhnliche Mutter und Hausfrau. Aber sie hat einen Master absolviert, lehrt an der Universität und in einem privaten College.

Religiosität im Kosovo – Präsent aber nicht dominant (Bild: Altes Mosche in Decani(strellc)

Leicht war es nicht für sie, als Verfechterin der traditionellen Kopfbedeckung, eine erfolgreiche berufliche Karriere aufzubauen, denn viele Menschen sehen das Kopftuch als Ausdruck eines politischen Islam, der die Westorientierung des Kosovo zu untergraben droht. Deshalb schlagen Besa als Kopftuchträgerin in der Öffentlichkeit auch immer wieder abschätzige Blicke entgegen.
Besa Sie ist hingegen davon überzeugt, dass diejenigen, die westliche Werte auf ihre Fahnen schreiben, mehr Respekt vor der Vielfalt und Freiheit der Gläubigen zeigen sollten. “Gerade hier bemerke ich die Intoleranz der Gesellschaft in Kosovo. Da frage ich mich: ‘Wenn wir Andersdenkende nicht akzeptieren, wie wollen wir dann Menschen aus anderen Ländern akzeptieren, wenn wir ein Teil der großen europäischen Familie werden?’ Ich bin zu 100 Prozent aus Kosovo und für Kosovo und es besteht kein Grund, mich in irgendeiner Form auszuschließen,” sagt Besa.

Berufung auf Religionsfreiheit

Doch genau das soll geschehen: Laut einer Verwaltungsanweisung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Technologie werden die Studentinnen in Zukunft nicht mehr verhüllt studieren dürfen. Das Kopftuchverbot greift bereits in der Sekundarstufe. Bei einem Verstoß gegen diese Anweisung sollen die Betroffenen vom Unterricht ausgeschlossen werden.

Die islamische Gemeinde protestierte und bezeichnete die Anweisung als “eine drastische Verletzung der Menschenrechte”. Ferner widerspricht sie heftig dem Ausschluss der Schülerinnen und Studentinnen aus dem Unterricht, wenn sie ein Kopftuch tragen.
“Das Kopftuch ist nicht gleichzusetzen mit dem Kreuz bei den Christen oder dem Halbmond bei den Muslimen. Das Kopftuch ist ein islamischer Grundsatz, festgelegt in den religiösen Regeln und aus diesem Grund ist es ein untrennbarer Bestandteil des Glaubens einer muslimischen Frau”, sagt der Hauptimam der islamischen Gemeinde von Kosovo, Sabri Bajgora.

 

Sabri Bajgora kritisiert das Kopftuchverbot

“Wir sind gegen eine solche Verwaltungsanordnung, weil der Versuch, die Grundrechte einer muslimischen Frau in einer Gesellschaft zu minimieren, nicht mit der Ethik eines demokratischen Staates zusammenpasst”, argumentiert er und fügt hinzu: “Die Religionsfreiheit ist schließlich in der Verfassung von Kosovo garantiert. Die Mädchen mit Kopftüchern wollen nicht Religionslehrerinnen oder Theologieprofessorinnen werden, wohl aber Ärztinnen, Juristinnen, Ökonominnen. Deshalb betrachten wir diesen Fall als eine drastische Verletzung der elementaren Rechte eines menschlichen Wesens.”

Sabri Bajgora kritisiert das Kopftuchverbot

Die Verwaltungsanweisung verbietet “religiöse Kleidung zu tragen”, und die kommunalen Verwaltungen sehen darin das Kopftuchverbot begründet. Aber niemand vom Bildungsministerium erklärte sich bereit, sich zu diesem Thema zu äußern. “Falls das Bildungsministerium diese Beschlüsse nicht zurückzieht, werden wir Maßnahmen treffen. Wir wollen die Situation nicht radikalisieren, sondern werden beharrlich die Unterstützung des Volkes einfordern -Unterstützung für die Rechte die durch die Verfassung von Kosovo und die UN-Charta für die religiösen Rechte und Freiheiten gesichert sind”, warnt Bajgora.

Bei den Kosovaren gehen die Meinungen über das Tragen eines Kopftuches auseinander. Der Student Bekim Kastrati aus Malisheva sagt: “Nein, das Kopftuch stört mich überhaupt nicht. Mir gefällt eine verhüllte Frau sogar sehr.” Drita Krasniqi aus Prizren meint dagegen: “Würde mein Mann mich verhüllen, würde ich mich im Nu von ihm scheiden lassen. Denn wenn eine Frau Charakter und Moral hat, ist ein Kopftuch nicht möglich.”

“Es würde mich nicht stören, eine verhüllte Frau zu heiraten. Im Gegenteil, ich würde sie mehr achten, wenn eine verhüllte Frau mich so annehmen würde, wie ich bin”, hält Ilir aus Decan dagegen. “Weil wir danach streben, einige Standards zu erfüllen, sollten wir nicht solche Barrieren schaffen, und die Gesellschaft spalten”, meint er.

Autorinnen: Ajete Beqiraj / Mirjana Dikic

Redaktion: Fabian Schmidt
17 juny 2010

 

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